Goldschätzchen, stell Dir doch einmal vor, der Krieg sei aus

Feldpost - Briefe des Soldaten Lothar Gruber
1942-1944

Eine Auswahl in Auszügen
Dritter Jahrgang
Januar 1944

218.
Osten, Neujahr 1944
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen!
Nun hat das neue Jahr schon begonnen. Ich wünsche Dir nochmals von gan­zem Herzen alles Gute, recht viel Glück, gute Gesundheit und alles, was Du Dir auch selbst wünscht. Möge Dir Gott ein segenreiches, gnadenvolles und glückli­ches Jahr gewähren u. Dich vor allem Bösen u. jeder Krankheit bewahren. Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, ich hoffe, dass Du recht gut ins neue Jahr rü­ber gekommen bist. Bei uns war es gestern ziemlich ruhig und so konnten wir ein wenig feiern. Aber meine Gedanken waren weit weg von hier und als wir Punkt 12 Uhr unsere Granaten zum Russen rüber schickten, da gab ich Dir in Gedanken die Hand, habe Dich in meine Arme genommen und Dir einen ganz lieben Neujahrs­kuss gegeben. In diesen Gedanken konnten mich nicht einmal die krachenden Abschüsse unserer Granaten stören. Wir legten uns dann bald schlafen und meine Gedanken blieben auch noch in einem schönen Traum bei Dir. ...

219.
Osten, 2. Januar 1944
Meine herzallerliebste H...!
Soeben habe ich meine Arbeit für heute beendet. Ich muss verschiedene Feu­erpläne und Stellungsskizzen machen. Nun ist es schon 10 Uhr und da habe ich für heute Schluss gemacht. Morgen ist ja auch noch ein Tag und ich muss Dir doch auch noch ein wenig schreiben. Heute hatten wir gar kein schönes Wetter. Den ganzen Tag ging ein toller Schneesturm. Na, uns konnte er ja nichts anhaben. Wir haben ja einen prima Bunker und darin lässt es sich gut aushalten. Ja mein über al­les geliebtes Goldschätzchen, ich habe auch diesen Tag gut verbracht und es geht mir immer noch sehr gut. Wenn dies nur auch bei Dir immer der Fall ist, dann bin ich ja beruhigt. ...

223.
Osten, 6.1.44
... Wenn die Post ankommt, dann muss ich Deinen Brief immer zuerst lesen und zum Schluss gleich nochmals. Und wenn mir der Kaiser von China schreiben wür­de, oder sonst so ein hohes Tier, so würde Dein Brief doch immer noch zuerst ran kommen. Was sollte es denn für mich geben, was mich mehr freut u. interessiert, als eine Nachricht von Dir. Doch halt, mein über alles geliebtes Goldschätzchen, ich will Dich doch nicht beschwindeln. Es gibt tatsächlich auch noch etwas, was mich fast noch etwas mehr interessiert. Du brauchst aber keine Angst haben, denn es betrifft ja auch wieder Dich. Das wäre nämlich erstens ein Urlaubsschein und zweitens der Frieden. Beides würde mich doch recht bald zu Dir bringen und dar­über würdest Du Dich doch sicher auch freuen. ...
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen, nun hast Du also alle Briefe bis Nr. 199, es fehlen nur Nr. 170 u. 174. Ich habe nun nachgesehen, Wann ich die Briefe geschrieben habe. 170 war noch aus Berlin, und zwar vom 13. Oktober. 174 war schon von hier. Den schrieb ich am 22. Oktober. Leider muss ich Dir sagen, dass darin 2 Päckchenmarken waren. Wir haben sie am 21. bekommen und am 22. habe ich sie weggeschickt. Nun, das ist ja nicht so schlimm. Es ist ja nicht so, dass wir wenig zu Essen haben und von zu Hause etwas brauchen. Aber es ist bestimmt besser, wenn nur Marken verloren gehen, als wenn ein Päckchen verloren geht.
Meine über alles geliebte H..., ich freue mich ja so sehr, dass es Dir immer gut geht und dass Du gesund und munter bist. Hoffentlich ist das auch noch der Fall, wenn Du diesen Brief erhältst. Wenn euch nur die Flieger in Ruhe lassen. Das ist immer meine grösste Sorge und ich bitte unseren lieben Gott immer wieder, dass er Dich doch davon verschonen möge. Das wäre ja das schlimmste für mich, wenn Dir da etwas passieren würde. Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, mir geht es immer noch sehr gut. Ich bin noch in meinem schönen Bunker und der ist pri­ma. Ach mein süsser goldiger Schatz, wie schön wäre das, wenn ich plötzlich bis nach Deutschland zurück käme und in Deiner Nähe sein dürfte. Aber hier braucht uns das Vaterland und dafür erfüllen wir gerne unsere Pflicht. Wir schützen ja da­mit auch Euch, soweit dies uns möglich ist.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, leider werde ich meine Freia herge­ben müssen. Wir dürfen hier in der HKL. keine Hunde haben und ich werde mich mal nach einem guten Plätzchen für sie umsehen. Du weisst ja, wie gerne ich Tiere habe und das liebe Kerlchen gebe ich sehr ungern weg. Aber Befehl ist Befehl. Na ja, deshalb geht aber die Welt noch nicht unter. ...

225.
Osten, 8.Januar 1944
Mein liebstes Goldschätzchen!
Jetzt ist es gleich wieder 10 Uhr und schon ist die erste Woche dieses Jahres vor­über. Wie viele Tage müssen da wohl noch vergehen, bis ich zu Dir kommen darf? Ich werde mal von heute ab 50 Tage weiterzählen. Dann hätten wir der 27. Februar. Ich glaube sicher, dass ich dann weiss, ob ich einen Heiratsurlaub bekomme. Wir wollen mal das Beste hoffen.
Mein über alles geliebtes süsses herziges Goldschätzchen, wie geht es wohl auch Dir. Hoffentlich immer noch recht gut. Mir selbst geht es ja auch immer sehr gut. Wir hatten heute sehr schönes Wetter und auch ein freudiges Erlebnis. Kam doch heute morgen so ein freches russisches Flugzeug, kaum zu hören. Es hatte die Motoren gedrosselt und flog in ganz geringer Höhe über uns hinweg, wie wir glaubten. Es war aber nicht ganz so. Wir hatten es mit einem Fernaufklärer zu tun und der hatte Motorschaden. Wir liegen nun hier zwischen zwei Flüssen u. er hatte sich dabei getäuscht. Er nahm an, er sei schon zu Hause u. wollte zur Notlandung ansetzen. Dadurch gerieten aber alle 3 Insassen in Gefangenschaft. Das Flugzeug zerschellte etwa 300 Meter von hier. Die Besatzung hatte nichts abbekommen. Wir bekamen aber wertvolles Material in die Hände. Na ja, so haben wir jeden Tag ir­gend ein Erlebnis. Ich war natürlich gleich dort und habe mir alles genau angese­hen. Am liebsten hätte ich sofort das Funkgerät ausgebaut. Das war noch heil, aber leider ist das verboten, da diese Sachen alle genau aufgenommen werden. Für die Führung sind auch kleine Veränderungen an solchen Apparaten wichtig.
Meine herzallerliebste H..., heute Abend hatte ich noch ein so schönes Erleb­nis, wenn ich es so nennen will. Ich habe vorher meine Streife gemacht. Als ich rausging, war vom Mond kaum etwas zu sehen, so stark war es bewölkt. Aber dann verzogen sich alle Wolken und es kam so ein wunderschöner klarer Sternenhimmel hervor. Als ich dann nach "Hause" ging, hab ich mich noch ein Weilchen vor mei­nen Bunker gesetzt und hab diesen herrlichen Himmel angesehen. Dabei sind alle meine Gedanken bei Dir gewesen. Ach ja, wir haben ja hier über uns die selben Sterne, wie auch zu Hause. Wie ich nun so dasass, habe ich mit offenen Augen von Dir geträumt und ich sah zwischen all den vielen Sternen Dein geliebtes Gesicht­chen. Ich musste mich von diesem so schönen und beglückenden Bild mit Gewalt los reissen, sonst würde ich wohl jetzt noch draussen sitzen. ...

226.
Osten, 9. Januar 1944
Meine herzallerliebste H...!
Nun ist auch dieser Sonntag wieder vorüber. Heute gab es sehr viel Arbeit. In der letzten Nacht setzte ein ganz toller Schneesturm ein, der auch jetzt noch wütet. Da mussten wir nun den ganzen Tag Schnee schippen, denn meine Werfer müssen ja dauernd schussbereit sein. Wir sind heute alle ziemlich müde. Morgens erwartet uns unter Umständen noch mehr Arbeit. Da geht schon früh wieder das Schnee­schippen los. Es ist nur gut, dass es dabei nicht so kalt ist. So geht es immer noch. Na, bei dieser Arbeit wird es uns ja auch ordentlich warm. ...

227.
Mein liebstes Goldschätzchen!
Und wieder geht ein schöner Tag zu Ende. Na, gar so schön war er ja nicht. Es war den ganzen Tag über ein tolles Schneetreiben, das aber nun aufgehört hat. Wir hatten heute Vormittag ganz schön Schnee geschippt. Unser Bunkereingang war fast nicht mehr zu finden. Aber das Schneeschippen ist auch eine Abwechslung und dabei gibt es immer allerhand lustige Spässe. Ach meine über alles u. ewig treu geliebte H..., Du hättest heute einmal unsere Freia sehen sollen. Die war kaum mehr zu erkennen. Da hat dauernd der Schnee gestiebt und zuletzt war sie ganz weiss. Ach weisst Du, mein herzallerliebstes Goldschätzchen, sie macht mir halt sehr viel Freude. Gerade kam er wieder von draussen und hat mich freudig be­grüsst. Ja, er ist unbedingt Stubenrein. Wenn er etwas machen muss, dann verlangt er schön brav nach draussen. Einmal hat er reingemacht, aber da hab ich ihm die Schnauze darübergehalten und dann bekam er ein paar Schläge. Das hat er sich nun gemerkt und jetzt ist er immer schön artig. Nun will er mir immer auf den Schoss, aber dann kann ich nicht schreiben. Jetzt liegt er rechts ganz dicht bei mir und hat seinen Kopf auf meinem rechten Oberschenkel. Dabei beschäftigt er sich mit meiner linken Hand. Der Daumen hat es ihm immer besonders angetan. Er hat schon ganz scharfe Zähne u. kann einem dabei auch weh tun. Ich habe vor einigen Tagen eine Aufnahme von ihm gemacht. Der Film ist schon unterwegs nach Hau­se. Hoffentlich wird auch das Bild etwas. ...

231.
Osten, 14. Januar 1944
Meine liebste H...!
Heute habe ich schon einen weiten Weg hinter mir. Wir waren heute beim Tross und haben uns mal wieder entlaust. Gleichzeitig waren wir auch in der Sau­na. Ach war das wieder mal fein. Schön gewaschen und frische Wäsche an, da fühlt man sich gleich wieder viel wohler. Freia hatte heute auch einen Feiertag. Ich habe sie mitgenommen und an der Küche gab es viel Knochen. Das hat ihm geschmeckt.
Mein liebstes Goldschätzchen, was denkst Du, was jetzt wieder kommt, ob Du es wohl errätst. Es ist etwas freudiges. Wir haben heute wieder zwei Urlaubskarten bekommen für den 20. Januar. Na ja, das ist doch wieder etwas. So muss es jetzt bleiben, dann ist es gut. Hoffen wir, dass keine Sperre mehr kommt. Ach wie schön wird es doch erst mal werden, wenn es endlich dann so weit ist, dass ich meinen Urlaubsschein habe und abdampfe Richtung Westen.
Heute ist nun schon der 14. Januar und bald ist dieser Monat schon vorbei. Die Zeit vergeht ja sehr schnell und doch dauert es mir viel zu lange, bis es endlich so weit ist. Ich habe ja so eine grosse Sehnsucht nach Dir, mein über alles geliebtes Goldschätzchen. Was hast Du denn mit mir gemacht, dass ich es hier kaum mehr aushalte? ....

234.
Osten, 18. Januar 1944
Heute Abend habe ich nun etwas mehr Zeit und da will ich Dir aber schnell noch ein wenig schreiben. Leider hatte ich gestern keine Zeit dazu, denn ich muss­te hier einen Zugführer vertreten. Da ich erst heute morgen zurück kam, war es mit dem Schreiben natürlich nichts geworden. Nun bin ich wieder zu Hause. Ich habe gerade wieder meine Streife gemacht, zusammen mit Freia. Es ist gar nicht kalt draussen. Wir hatten gestern und heute wieder leichtes Tauwetter, so warm ist es bei uns. Sonst geht es mir immer noch gut. ...

236.
Osten, 20. Januar 1944
... Mein liebstes Goldschätzchen, entschuldige bitte vielmals, dass ich Dir gestern nur so einen kurzen Brief geschrieben habe, aber ich war zu müde, um noch mehr zu schreiben. Wir haben gestern unsere Stellung wesentlich verbessert und gesi­chert und da hatten wir die halbe Nacht dran gearbeitet. Am Tage konnten wir das nicht machen, da uns dabei der Russe sieht. Aber nun ist auch dies geschafft. Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, wie geht es denn Dir? Ich bekomme wirklich etwas wenig Post. Hast Du denn so viel Arbeit, oder bist Du gar krank? Ach ich will ja das Beste hoffen. Wenn es Dir nur immer gut geht. Mir selbst geht es ja auch im­mer ganz gut. Wir haben immer noch Tauwetter und an manchen Stellen kommt schon wieder der Boden vor. Es ist ein herrliches Wetter. Gar zu viel Schnee wird dieses Jahr nicht mehr kommen. Es ist ein sehr milder Winter. Wie ist auch bei Euch zu Hause das Wetter? Ach mein liebstes Goldschätzchen, hoffentlich musst Du nicht so sehr frieren. ...

237.
Osten, 21. Januar 1944
Meine liebste H...!
Das Wandern ist des Müllers Lust, aber auch des Soldaten. Ich bin nun mal wieder für eine Nacht in einem anderen Bunker und führe vertretungsweise den Zug. Na ja, morgen früh gehe ich dann sicher wieder zu meiner Gruppe. Sonst geht es mir sehr gut und ich fühle mich ganz wohl. Das Wetter war auch heute ganz gut. ...

239.
Osten, 24. Januar 1944
... Wir haben wirklich sehr viel Arbeit. Das Wetter ist sehr schlecht. Es ist ja nicht kalt, sondern ein richtiges Frühlingswetter. Es tat immer noch u. dazwischen reg­net es noch. Wir können hier bald schwimmen u. da gibt es ja sehr viel zu tun. Sonst ist es bei uns sehr ruhig. ...
Ach mein liebstes Goldschätzchen, ich bin so unruhig, weil ich schon seit dem 14. Januar keine Nachricht mehr von Dir habe. Was machst Du denn blos? Sei doch bitte so lieb und schreibe mir ein klein wenig öfters. ...

241.
Osten, 27. Januar 1944
...
Mein liebstes Goldschätzchen, mir selbst geht es ja immer noch sehr gut. Zur Zeit mache ich hier wieder den Zugführer. Es ist ziemlich ruhig bei uns. Das Wetter ist auch immer noch erträglich. Es hat mal wieder ein klein wenig geschneit, aber im allgemeinen ist immer noch warmes Wetter und der Schnee ist wieder zum grössten Teil weg.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, mit dem Urlaub geht es immer flott weiter. Heute sind wieder 4 Karten gekommen für den 30. Januar zwei und für den 2. Februar auch zwei. Leider sind nun aber noch etwa 10 Mann vor mich gekom­men, die wir inzwischen erhalten haben. Diese waren im letzten Jahr vor mir im Urlaub und kommen natürlich in der richtigen Reihenfolge. Da wir aber immer noch gut mit Karten versorgt werden, macht das nicht viel aus. Ich glaube sicher, dass ich bis März, oder vielleicht auch noch etwas früher bei Dir bin. ...
Mein liebstes Goldschätzchen, meiner Freia geht es immer ganz gut. Sie ist nun ganz schön gross geworden. Ach es ist ja so ein nettes und liebes Ding. Heute hat es wieder Dropse gegeben und da ist sie besonders scharf drauf. Mein liebstes Goldschätzchen, Du kannst mir glauben, dass es ihr nicht schlecht geht. Jede Nacht schläft sie auch bei mir. Und nun will auch ich mich noch ein wenig schla­fen legen. ...

242.
Osten, 28. Januar 1944
... Mein liebstes Goldschätzchen, ich werde selbstverständlich alles versuchen, da­mit ich Freia mit heimbringen kann. Ach ich habe so viel Spass mit ihr. Ich mache jeden Tag einen "Spaziergang" u. da darf sie immer mit. ...

243.
Osten, 30. Januar 1944
... Ja nun war ich mal wieder unterwegs. Gestern Mittag gingen wir rüber zum Iwan und sind heute vormittag nach erfolgreichem Stosstrupp mit 3 Gefangenen zurück­gekommen. Es war sogar ein Offizier dabei. Nun bin ich allerdings müde und wer­de mich gleich schlafen legen. ...