Goldschätzchen, stell Dir doch einmal vor, der Krieg sei aus

Feldpost - Briefe des Soldaten Lothar Gruber
1942-1944

Eine Auswahl in Auszügen
Zweiter Jahrgang
November 1943

180.
Osten, 4.11.43
... Ach ja, mein geliebtes Goldschätzchen, mir geht es immer noch sehr gut. Da kannst Du beruhigt sein. Ich passe schon auf, dass mir nichts passiert. Das Wetter geht auch immer noch. Es wird wohl etwas kälter, aber es ist immer noch zum Aus­halten. Bis jetzt habe ich noch keinen Mantel gebraucht. ...
Ich habe hier nämlich Gelegenheit zu jemand ganz lieb zu sein und damit bleibe ich ja immer in der Übung. Ich habe nämlich in meinem Bunker zwei nette Katzen. Eine Weisse mit schwarzen Flecken und eine schwarze mit weissen Fle­cken. Die sind immer bei mir. Nachts liegen sie immer bei mir im Bett, wo sie beide auch jetzt liegen. Dazu habe ich nun noch einen grossen Wolfshund, einen Melde­hund. Er verträgt sich mit den Katzen sehr gut. Nachts wenn ich meine Streife ma­che, begleitet er mich immer mit seinem Führer. Du siehst also, dass ich einen gu­ten Schutz bei mir habe. Aber das kann mir ja alles nicht über meine grosse Sehn­sucht nach Dir hinweghelfen. Meine Gedanken sind ja doch immer nur bei Dir u. sie lassen Dich nie los.

181.
Osten, 6.11.43
... Die Zeit vergeht hier ziemlich rasch, da wir dauernd beschäftigt sind. Wir verbes­sern täglich unsere Stellung, so dass uns der Russe immer weniger anhaben kann. Es geht mir dabei auch ganz gut. Heute Mittag konnte ich sogar ins Kino gehen. Ich sah den Film "Diesel", der mir sehr gut gefallen hat. Aber auch während dem Film waren meine Gedanken bei Dir u, ich habe Dich sehr vermisst. ...

182.
Osten, 8.11.43
... Gestern ist bei uns nun der erste Schnee gefallen, aber es war noch nicht viel. Nun kommt der Winter doch so langsam. Na ja, einmal muss er ja kommen, und wir sind ja schon an ihn gewöhnt. ...

183.
Osten, 10.11.1943
... wir sind nun etwas mehr beschäftigt. Warum, werde ich Dir später mal schrei­ben. Aber Du brauchst Dir nun keine Sorgen zu machen, denn es ist nichts beson­deres. Bei uns ist es immer noch ziemlich ruhig. ...
Ich bitte unseren lieben Gott jeden Tag, dass er Dich immer beschützt u. ich hoffe, dass er Dir genau so beisteht, wie er seither auch mir immer beigestanden ist u. mich sicher durch alle Gefahren geleitet hat.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, nun muss ich Dir leider noch et­was weniger erfreuliches schreiben. Es ist leider für uns eine vorläufige Urlaubss­perre gekommen. Na, sie ist bestimmt nötig. Ich sage Dir dann später warum. Na dafür geht es dann später vielleicht wieder rascher. Wir wollen mal das Beste hof­fen. ...

184.
Osten, 12.11.1943
Mein herziger süsser Liebling, bei uns hat nun der Winter doch angefangen. Wir sind nun in einer Ortschaft als Reserve und erfreuen uns einer schönen war­men Stube, denn draussen geht ein wüster Schneesturm. Aber es ist bei all dem noch erträglich, da es noch nicht so sehr kalt ist. Na mir macht die Kälte sowieso nicht so viel aus und ich bin froh darüber. Hier in unserem neuen Heim habe ich schon wieder ein sehr schönes Kätzchen. Es hat ein wunderbares silbergraues Fell, gerade so wie ein Silberfuchs. So habe ich doch immer einen kleinen Liebling bei mir. ...

185.
Osten, 13.11.1943
... Heute hatten wir eine stramme Geländeübung gemacht. Es war ganz nett, nur müsste das Wetter etwas besser sein. Der Sturm hat uns ja verschont, dafür heult er jetzt ganz toll ums Haus. ...

186.
Osten, 16.11.1943
Meine herzallerliebste H...!
Heute komme ich nun endlich mal wieder zum schreiben. Ich hatte leider in den letzten Tagen keine Zeit dazu, da wir mal wieder umgezogen sind. Wie immer, kam am Sonntag wieder der Befehl zum Abmarsch. Wir sind von früh um 9 Uhr bis abends um 10 Uhr fast ununterbrochen marschiert. Nun sind wir wieder in einer schönen u. vor allem in einer guten Stellung. Bis jetzt war es immer noch sehr ru­hig. So schön unser Bunker ist, so muss ich mich doch viel ärgern. Er ist etwas zu nieder u. ich stosse meinen Kopf immer wieder gegen die Decke. Na ist aber nicht so schlimm. Man gewöhnt sich auch daran. ...
Leider hat sich das Wetter nochmals geändert. Statt Schnee kam Regen u. wir haben mal wieder sehr viel Dreck und Schlamm. Da gibt es nun wieder viel Arbeit. Schreiben kann man nur in den Nachtstunden. ...

187.
Osten, 17.11.1943
Meine geliebte H...!
Nun haben wir uns hier einigermassen eingerichtet und haben jetzt wieder etwas mehr Zeit. ... Hier ist es ziemlich ruhig und es lässt sich ganz gut aushalten. ...
Mein über alles geliebtes süsses Goldschätzle, nun habe ich hier auch wieder einen netten u. lieben Hausfreund. Einer meiner Männer hat einen kleinen jungen Schäferhund mit gebracht. Es ist ein drolliges Vieh u. fühlt sich bei mir sehr wohl. ...
RANDBEMERKUNG:
Liebste H..., ich bin immer noch in der selben Gegend, wo ich auch vor meinem Urlaub war.

191.
Osten, 27.11.1943
... Meine herzallerliebste H..., entschuldige bitte vielmals mein langes Schweigen, aber man kommt hier doch kaum einmal zum Schreiben. Wir haben hier nun viel u. grosse Übungen hinter uns, bei denen wir sehr viel umhergezogen sind. Wir lie­gen noch in einem Ort in Ruhe und es geht mir sehr gut.
Mein süsser netter bezaubernder Goldschatz, ich kann Dir eine freudige Mit­teilung machen. Die Urlaubssperre ist nun wieder aufgehoben und gestern fuhr der 1. Mann wieder ab. Ich habe mit meinem Chef gesprochen und da will ich Dir noch etwas verraten. Wenn ich Glück habe, und das wollen wir fest hoffen, dann bekomme ich auch noch von hier aus Heiratsurlaub. Dieser beträgt etwa 10 Tage. Allerdings bekomme ich ihn nur im Zusammenhang mit dem Jahres-Urlaub. Wenn dann also alles klappt, kann ich unter Umständen das nächste Mal 32 Tage Urlaub bekommen. Das wäre doch fein. oder meinst Du nicht auch? ...
Mein geliebtes Schätzle, nun ist morgen schon der 1. Advent u. in 4 Wochen feiern wir das 3. Weihnachten in Russland. Na wir wollen hoffen, dass dies auch das letzte ist. Ich wäre gerne um diese Zeit auch mal wieder zu Hause. ...
Mein liebstes Goldschätzchen, dass euch die Flieger wieder mehr in Ruhe lassen, freut mich ganz besonders und wir wollen fest hoffen, dass es auch in Zu­kunft so bleibt. ...
Die Rede unseres lieben Führers habe ich auch gehört. Sie war sehr gut. Ja, der Tommy bekommt schon noch seinen Teil und dann aber nicht zu knapp, son­dern reichlich bemessen. ...

192.
Osten, 28.11.1943
Meine geliebte H...!
Heute ist nun Sonntag und der 1. Advent. Nun geht es rasch auf Weihnachten zu. Heute früh ging von uns ein Vorkommando weg und wir werden wohl bald nachfolgen. Also mal wieder ein Umzug. Na weit wird es ja auch nicht gehen. Wir sind es ja nun schon so gewöhnt, dass wir fast jede Woche einmal umziehen. Das schlimmste dabei ist ja nur das dauernde ein- und auspacken.
Mein liebstes Goldschätzchen, gestern hatten wir einen grossen Appell u. Abends hatten wir einen Kameradschaftsabend gemacht. Es war sehr schön und wir haben einige frohe und lustige Stunden verbracht. Nun bin ich mal gespannt, wo wir jetzt hinkommen. Anscheinend ist es eine alte u. bekannte Stelle. Das ist ja viel wert. ...
Mein geliebtes Schätzchen, nun habe ich noch eine Bitte an Dich. Gehe doch mal in das Schreibwarengeschäft Schlienz am Eck an der Horst-Wessel-Schule u. sage einen schönen Gruss von mir u. ob sie mir nicht die Bücher besorgen könnten: "Unter den Dolomiten" u. "An der Engelsbucht" von Konrad Telman, aus dem Ver­lag Paul Franke, Berlin. ...